Verhandlungsfehler im M&A-Prozess können teuer werden – sind aber vermeidbar! – Teil 3/5

Prof. Dr. Annette Blöcher, TH Köln & Joachim Hahn, complemus consulting GmbH

5. Häufige Verhandlungsfehler und Lösungsstrategien

Der Blick in die Praxis zeigt: Firmeninhaber scheitern mit dem Verkauf ihres Unternehmens, da sie nicht von ihren überzogenen Kaufpreisvorstellungen abrücken wollen. Ein Unternehmen wird aufgrund einer „strate­gischen Rationale“ gekauft, obwohl die Unterneh­mensbewertung den hohen Kaufpreis nicht rechtfertigt. Es wird auf professionelle Beratung verzichtet, da man bislang immer gut ohne Berater auskam und ein M&A­Prozess nicht als allzu kompliziert eingeschätzt wird. Obwohl man nach drei Monaten feststellt, dass eine Transaktion für das Unternehmen keinen Sinn macht, wird sie weiterverfolgt und nicht gestoppt. Diese Liste könnte noch beliebig weitergeführt werden. Die An­zahl an Fehlentscheidungen in M&A­-Prozessen ist groß. Im Folgenden sollen die Ursachen von in der Praxis häufig auftretenden Verhandlungsfehlern auch von erfahrenen Verhandlungsführern untersucht und Lö­sungs strategien aufgezeigt werden.

Ursache 1: Selbstüberschätzung – „Verhandeln ist Chefsache!“

Selbstüberschätzung hat im Rahmen von M&A­Ver­handlungen im Wesentlichen zwei Ausprägungen: Zum einen führt Selbstüberschätzung auf Seiten der Unter­nehmensleitung dazu, dass sie sich zu sehr in die Verhandlungen einbringt, diese im Extremfall sogar komplett an sich zieht, weil sie glaubt, selbst das beste Verhandlungsergebnis erzielen zu können. Zum ande­ren kann sie auf Seiten des Verhand lungs führers dazu führen, dass die Gegenseite unterschätzt wird, dadurch die Verhand lungs vorberei tung nicht gewissenhaft er­folgt und andere Verhandl ungsgrundsätze nicht be­achtet werden. Es kommt zu einer Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, absolut, aber auch im Vergleich zu anderen.

In der Verhandlungspraxis ist oft anzutreffen, dass das Verhandeln zur Chefsache erklärt wird. Sitzt der Chef jedoch am Verhandlungstisch, fehlt eine Eskalationsstu­fe außerhalb des Verhandlungsteams und die Emo­tionalität steigt. Zustimmungen am Tisch werden dann faktisch bindend oder sind zumindest nur unter massi­vem Gesichts­ und Vertrauensverlust wieder zu revidieren. Verhandlungsfehler werden dadurch unvermeidlich.

(Vgl. Hahn, J. (2016): Der Mittelstand als Akquisitionsziel von Konzernen – Eine Betrachtung von beiden Seiten, S. 9-10; in: Kuckertz, A./Middelberg N. (Hrsg.). Post-Merger-Integration im Mittelstand – Kompendium für Unternehmer.)

Um Fehler durch Selbstüberschätzung zu vermeiden, sollten im Vorfeld der Verhandlungen die Rollen und Verantwortlichkeiten des Entscheidungsgremiums be­ziehungsweise des Entscheiders, des Verhandlungs­ und der Expertenteams klar definiert werden. Dabei ist es sinnvoll, dass die Unternehmensleitung als Eskala­tionsstufe positioniert wird, die nur in kritischen Ver­handlungssituationen als letztes Mittel eingesetzt wird. Allerdings sollte dies in Absprache mit dem Ver­handlungsteam nach einem abgestimmten Skript erfol­gen. Der zielgerichtete Einsatz höherer Hierarchien ist ein gutes Mittel erfolgreicher Verhandlungen. Ein durch Selbstüberschätzung getriebenes, unabgestimmtes Ver­handeln oberer Führungskräfte am Verhandlungsteam vorbei ist hingegen dazu geeignet, den Erfolg von M&A-­Verhandlungen massiv zu gefährden.

Ursache 2: Besitztumseffekt und emotionale Verbun­denheit – „Mein Unternehmen ist doch viel mehr wert“

Juristen wird gerne der Rat gegeben, sich vor Gericht nicht selbst zu vertreten. Dies liegt nicht an einer Befangenheit im juristischen Sinne, sondern vielmehr an einer persönlichen Befangenheit durch die emotionale Verbundenheit mit dem Verhandlungsgegenstand. Der Verkäufer eines in mühsamer Arbeit über Jahre restau­rierten Oldtimers neigt dazu, den Wert seines Fahrzeugs zu hoch einzuschätzen. In der Verhaltensökonomie ist dieses Phänomen als Besitztumseffekt bekannt. Er be­sagt, dass Menschen einem Gegenstand einen höheren Wert beimessen, sobald sie diesen besitzen.

(Vgl. Thaler, R. H. (1980): Toward a Positive Theory of Consumer Choice. Journal of Economic Behavior and Organization, 1 (1), S. 39-60.)

Gleiches lässt sich auf M&A-­Verhandlungen übertragen. Be­sonders augenscheinlich wird die emotionale Bindung beim Thema Kaufpreis. Vor allem kleinere und mittel­ständische Unternehmer, die das zu verkaufende Un­ternehmen selbst aufgebaut haben, überschätzen nicht selten dessen wahren Wert. Durch die emotiona­le Bindung zum Transaktionsgegenstand ist oft keine objektive, sachliche Auseinandersetzung mit dem Unternehmenswert möglich. Das Resultat sind irratio­nal hohe Kaufpreisforderungen, die im Extremfall zum Abbruch der Verhandlungen führen können.

Die emotionale Verbundenheit des Verhandlers oder Entscheiders kann nicht ohne weiteres eliminiert wer­den. Daher sollte in diesen Fällen versucht werden, den Unternehmenswert durch eine neutrale Bewertung zu objektivieren. Geeignet hierfür sind Bewertungsgut­achten von Wirtschaftsprüfern oder M&A­-Beratern. Es ist zu empfehlen, bei starker emotionaler Verbundenheit zwischen Verkäufer und Transaktionsobjekt Unterstüt­zung durch einen erfahrenen M&A-­Berater zu suchen.

Ursache 3: Hidden Agenda und ineffektive Anreizsysteme – „Das ist eine tolle Chance! – Aber für wen?“

Idealerweise handelt der Manager zum Wohle des Unternehmens. Sind seine Entscheidungen im Sinne des Unternehmens, profitiert in der Regel auch er persön­lich. Doch in der Unternehmenspraxis kommt es immer dann zu Zielkonflikten, wenn die beste Entscheidung für das Unternehmen nicht gleichzeitig die beste Entscheidung für den Manager ist. Manager haben in der Regel ein Interesse, ihren Einfluss­ und Verantwor­tungsbereich zu vergrößern, um mehr Macht, Geld oder Reputation zu erlangen. Deshalb sind ihr persönliches Interesse und ihr Ehrgeiz bei Akquisitionen besonders ausgeprägt, Veräußerungen stehen sie tendenziell eher skeptisch gegenüber. Dies führt gerne zu fehlerhaftem Verhalten in verschiedenen Phasen des M&A-­Prozes­ses. In Entscheidungsvorlagen zu Akquisitionen werden Chancen überbewertet, Risiken unterschätzt oder gar verschwiegen. In der Due Diligence wird der Fokus auf Erkenntnisse gelegt, die die positive Einschätzung un­terstützen, und es besteht die Tendenz, Synergien zu überschätzen. In den Verhandlungen führt dies zu ei­ner Überbewertung des Unternehmens und tendenziell zu einer unzureichenden Absicherung gegen Risiken. M&A­-Akteure lassen sich bei großem Kaufinteresse zu verfrühten, überhöhten Kaufpreisnennungen verleiten, um sich als attraktiver Käufer zu positionieren.

Der Lösungsansatz, Verhandlungsfehler aufgrund einer „Hidden Agenda“ zu vermeiden, besteht einerseits in der Objektivierung und Standardisierung des M&A-­Prozesses. Dieser sollte Freigabeprozesse enthalten (sogenannte Gate ­Verfahren), innerhalb derer die kaufende Einheit die Akquisition durch ein unabhän­giges Gremium genehmigen lassen muss. M&A-­Trans­aktionen sollten unter aktiver Mitwirkung und gegebenenfalls Federführung der M&A-­Abteilung abge­wickelt werden. Diese sollte in größeren Unter nehmen verantwortlich für die Qualitätssicherung von In­vestitionsanträgen und Verhandlungsergebnissen der Geschäftsbereiche sein. Um überhöhte Bewertungen zu vermeiden, empfiehlt sich die Bewertung des Unternehmens durch unabhängige interne oder ex­terne Bewertungsexperten. Zum anderen müssen die Motivlagen der Akteure sogfältig und neutral geprüft werden: Wer profitiert wie stark von einer Ausweitung seiner Budget­ und Mitarbeiterverantwortung? Wie sieht die persönliche Karriereplanung der Verant­wortlichen aus? Wie deren Risikoneigung? Diese Motivlagen sollten bei der Zusammenstellung des Verhandlungsteams unbedingt berücksichtigt werden.

Prof. Dr. Annette Blöcher ist Professorin an der Technischen Hochschule Köln. Sie lehrt, forscht und berät zu den Themenbereichen Mergers & Acquisitions, Entrepreneurship und Change Management. Sie verfügt über langjährige praktische Erfahrungen in den Bereichen Unternehmensbewertung, Due Diligence und Post Merger Integration, die sie in über zwölf Jahren bei Deloitte und PwC gesammelt hat.
Email: annette.bloecher@th-koeln.de

Joachim Hahn ist Gründer und Geschäftsführer der M&A Boutique complemus consulting. complemus consulting ist spezialisiert auf die ganzheitliche Transaktionsberatung aus einer Hand. Zu den Mandanten zählen sowohl internationale Konzerne als auch der Mittelstand.
Email: j.hahn@complemus-consulting.com

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