Der Mittelstand als Akquisitionsziel von Konzernen – Teil 4/5

4.3 Durchführungsphase

4.3.1 Vertraulichkeitsvereinbarung

Mit dem Abschluss der Vertraulichkeitsvereinbarung beginnt die Projektphase, in der über den gewöhnlichen Informationsaustausch unter Geschäftspartnern hinausgegangen wird. Es werden Informationen geteilt, die sonst unter unabhängigen Parteien vertraulich und schützenswert sind. Für den Konzern ist dies ein geeigneter Meilenstein, an dem die verpflichtende Einbeziehung der zentralen M&A-Abteilung festgemacht werden kann.

Aus Sicht des Mittelständlers ist zu beachten, dass eine Vertraulichkeitsvereinbarung zwar die Sicherheit vertraulicher Daten deutlich erhöht, aber in Praxis keinen vollständigen Schutz gewährleisten kann. Vertragsstrafen bei Verstoß gegen die Vertraulichkeitsvereinbarung sind eher unüblich und kleinere Verstöße gegen die Vereinbarung sind nicht unmittelbar erkennbar. Selbst wenn ein Verstoß gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung sicher erscheint, ist die Durchsetzung der Rechte des Mittelständlers gegen einen finanzstarken Konzern oft schwer und vor allem teuer. Vor diesem Hintergrund sollten nach der Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung nicht schon sehr sensible Daten weitergereicht werden. Auch in strukturierten Veräußerungsprozessen von Konzernen werden die hochsensiblen Geschäftsinformationen erst ganz am Ende eines Prozesses dem letzten Bieter oft erst unmittelbar vor Abschluss der Transaktion offengelegt. Die wichtigsten Inhalte einer Vertraulichkeitsvereinbarung können der folgenden Liste entnommen werden:

  1. 1. Beschreibung der geplanten Transaktion
  2. 2. Allgemeine Beschreibung der vertraulichen Informationen
  3. 3. Ausnahmen von der Vertraulichkeit (beispielsweise bereits öffentlich verfügbare
    Informationen)
  4. 4. Umgang mit vertraulichen Informationen
  5. 5. Regelungen zur Rückgabe und Vernichtung bei Beendigung
  6. 6. Laufzeit

Wichtig ist für den Offenlegenden die Einschränkung, dass die Informationen lediglich zur Beurteilung der Transaktion verwendet werden. Oft ist die Weitergabe an operative Vertriebseinheiten ein kritisches Thema, so dass versucht werden kann, die kritischen Unternehmensbereiche vom Zugang zu vertraulichen Informationen auszuschließen.

4.3.2 Termsheet

Wie oben erläutert wird der Abschluss eines ausführlichen Termsheets empfohlen, um frühzeitig kritische Themen zu identifizieren und Klarheit über die wichtigsten Parameter der Transaktion zu erlangen. Auf Basis eines Termsheets ist es für den Mittelständler erfahrungsgemäß einfacher zu verhandeln, da das Dokument noch nicht in streng juristischer Sprache abgefasst ist und im Wesentlichen die kaufmännischen Themen zum Gegenstand hat. Daher kann das mittelständische Unternehmen zu diesem Zeitpunkt in aller Regel auf eine externe juristische Unterstützung verzichten. Es ist zu empfehlen, dass der Konzern in Absprache mit der operativ eingebundenen Konzerneinheit einen ersten Entwurf des Termsheets erstellt. Beispielhaft können folgende Inhalte aufgenommen werden:

  1. 1. Vertragsparteien
  2. 2. Gegenstand und Beschreibung der geplanten Transaktion
  3. 3. Beschreibung des Ablaufs der Transaktion (grober Zeitplan)
  4. 4. Indikative Bewertung
  5. 5. Transaktionsstruktur
  6. 6. Bei Kooperationen oder Gemeinschaftsunternehmen die grobe Beschreibung der
    Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
  7. 7. Vertraulichkeit
  8. 8. Regelungen zu Pressemitteilungen
  9. 9. Exklusivität
  10. 10. Laufzeit
  11. 11. Bindungswirkung
  12. 12. Kostenregelung
  13. 13. Gerichtsstand

Bei angedachten Kooperationen oder der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen sollten die Grundzüge der Kooperation und der Corporate Governance des Gemeinschaftsunternehmens skizziert und vereinbart werden.

Nicht alle im Termsheet behandelten Themen müssen in jedem Detail verhandelt werden, sondern können mit dem Verweis auf die Vertragsverhandlungen inhaltlich offen gelassen werden. Kritische Themen sind aber zwingend soweit zu regeln, dass eine spätere Einigung im Rahmen der Vertragsverhandlungen wahrscheinlich ist. Das Termsheet ist im Konzern vor Unterzeichnung in aller Regel von übergeordneten Hierarchien zu genehmigen. Dies sollte der Mittelständler wissen und berücksichtigen, da damit eine formale, konzerninterne Bindung an die Inhalte des Termsheets einhergeht.

4.3.3 Due Diligence

Wie oben beschrieben sollte die Due Diligence in zwei Phasen unterteilt werden. In einer ersten sog. Red Flag Due Diligence werden Informationen ausgetauscht, die eine erste Risikoeinschätzung und Bewertung erlauben. Die vollumfängliche Due Diligence erfolgt in einer zweiten Phase, nachdem auf Basis der Red Flag Due Diligence eine indikative Bewertung für das Geschäft abgegeben wurde. Der Mittelständler sollte die vollumfängliche Due Diligence in jedem Fall von der Abgabe eines nicht bindenden Angebots abhängig machen. Dieses Phasenmodell entspricht im Prinzip der Vorgehensweise bei strukturierten Verkaufsprozessen von Großunternehmen, bei denen auf Basis begrenzter Informationen (Informationsmemorandum) ein unverbindliches Angebot verlangt wird und erst Bieter mit attraktiven Angeboten zur vollumfänglichen Due Diligence zugelassen werden und Zugang zu weiteren Informationen erhalten.

Aus Sicht des mittelständischen Unternehmens ist darauf zu achten, dass kritische Themen schon in der Red Flag Due Diligence adressiert werden sollten. Das Zurückhalten von eventuellen Dealbreakern oder signifikanten Risiken wirkt sich in aller Regel im weiteren Verlauf des Prozesses negativ auf den Verkaufspreis aus oder kann sogar zum Scheitern des Verkaufs führen. Der Mittelständler sollte darauf bedacht sein, über den ganzen Prozess hinweg ein konsistentes Zahlenwerk zu präsentieren. Inkonsistenzen oder spätere Anpassungen der Finanzinformationen beschädigen das Vertrauen und führen in aller Regel zu Wertabschlägen. Es empfiehlt sich, ein komplettes Set an Informationen zusammenzustellen und idealerweise in einem Zug zur Verfügung zu stellen. Die Übermittlung einer Vielzahl von Informationspaketen zu verschiedenen Zeitpunkten erschwert die Nachvollziehbarkeit, Konsistenz und Organisation der übermittelten Daten. Falls nicht ohnehin schon vom Konzern zur Verfügung gestellt, sollte das mittelständische Unternehmen eine Informationsanforderungsliste verlangen. Eine Red Flag Informationsanforderungsliste sollte recht kurz gehalten sein und kann beispielsweise folgende Themen abdecken:

Unternehmensinformationen

  • Vollständige Liste aller Gesellschafter unter Angabe der Geschäftsanteile
  • Organigramm der Gesellschaft

Finanzdaten

  • Jahresabschlüsse für die Jahre 20XX bis 20XX (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung)
  • Monatsberichte bzw. die Dezemberberichterstattung für den Zeitraum 20XX bis 20XX sowie das laufende Geschäftsjahr
  • Monatliche Auftragseingänge und Auftragsstand für den Zeitraum 20XX bis 20XX sowie das laufende Geschäftsjahr, falls vorhanden auch nach Produktgruppen. Auftragsbestand zu Jahresbeginn 20XX
  • Planung und detaillierte Planungsannahmen für 20XX bis 20XX (einschließlich Investitionen)
  • Deckungsbeitragsrechnungen nach verfügbaren Kriterien (z. B. für die einzelnen Produktgruppen) für die Jahre 20XX bis 20XX sowie das laufende Geschäftsjahr und für den Planungszeitraum sofern vorhanden
  • Rückstellungsspiegel für 20XX bis 20XX
  • Aufstellung einmaliger Ereignisse/Normalisierungen für 20XX bis 20XX
  • Leasingverpflichtungen und andere laufende Verpflichtungen größer X Euro pro Jahr
  • Falls relevant, Erläuterung der Intercompany-Beziehungen, auch mit der Muttergesellschaft, Beziehungen zu anderen Unternehmen oder Aktivitäten der Eigentümer
  • Anonymisierte Aufstellung der Top 10 Kunden und Lieferanten für die Jahre 20XX bis 20XX nach Geschäftsvolumen

Aus Sicht des Projektleiters des Konzerns ist es wichtig, den Mittelständler nicht zu überfordern und in der frühen Due Diligence Phase mit seitenlangen Listen und Anforderungen zu überfrachten. In dieser Phase genügen Informationen, die eine erste grobe Bewertung und Risikoeinschätzung ermöglichen.

Nachdem auf Basis der Red Flag Due Diligence eine unverbindliche Bewertung abgegeben und vom Mittelständler akzeptiert ist, wird die eigentliche, vollumfängliche Due Diligence durchgeführt. Der Mittelständler sollte auch hier vom Konzern eine detaillierte Anforderungsliste verlangen, auf deren Basis er die Informationen zusammentragen kann. Dabei ist darauf zu achten, dass die erfragten Informationen zum einen sämtliche Bereiche abdecken, aber zum anderen auch durch zeitliche Eingrenzung und Materialitätsgrenzen eingeschränkt werden. Die Umsatzentwicklung von vor 10 Jahren ist genauso irrelevant für eine Einschätzung des Geschäfts wie Verträge mit einem Gegenwert von kleiner 1000 €. Das mittelständische Unternehmen sollte darauf achten, dass der Due Diligence Prozess zeitlich und inhaltlich klar strukturiert ist. Die Komponenten der Due Diligence wie Datenraumuntersuchung, Managementpräsentation, Betriebsbesichtigungen und Fragen und Antwort Meetings sollten genauso festgelegt werden wie der Zeitpunkt des Abschlusses der Due Diligence. Je nach Umfang und Komplexität ist es ratsam, einen Rechtsanwalt und einen Wirtschaftsprüfer zur Vorbereitung der Due Diligence hinzuzuziehen.

Auf Seiten des Konzerns ist darauf zu achten, dass der Mittelständler nicht durch überbordende Detailanfragen vergrault wird. Nicht selten reichen Konzernspezialisten aus Unkenntnis oder Unsicherheit sehr umfangreiche Due Diligence Fragelisten ein, die von der Projektleitung vor Verwendung gekürzt werden sollten. Vor allem bei einer Transaktion mit dem Mittelstand, für den das Zusammentragen der Informationen eine große zeitliche Belastung darstellt, ist darauf zu achten, möglichst alle „nice to have“ Anforderungen zu eliminieren.

4.3.4 Vertragsverhandlungen

Verhandlungen im engeren Sinne beginnen mit der Verhandlung des Termsheets und werden mit den Verhandlungen der finalen Vertragsdokumentation fortgesetzt. Wer allerdings davon ausgeht, dass das Verhandeln erst am Verhandlungstisch beginnt, hat den ersten Fehler in den Verhandlungen schon begangen. Die Kräfteverhältnisse in den Verhandlungen werden schon ab dem ersten Kontakt beeinflusst. Welche Hierarchieebene nimmt an ersten Meetings teil? Wo finden die ersten Treffen statt? Wer gibt in den ersten Gesprächen den Ton an? Wie stark werden schon früh Positionen aufgebaut und Territorien abgesteckt? Diese und viele andere, oft nebensächlich erscheinende Dinge haben in ihrer Summe wesentlichen Einfluss auf die spätere Verhandlungsdynamik und die Verhandlungsmacht der einzelnen Parteien.

Die Verantwortlichen mittelständischer Unternehmen sind im täglichen Geschäft vielfältigen Verhandlungssituationen ausgesetzt. Das darin gesammelte Wissen und die Erfahrung sollte bewusst für M&A-Verhandlungen eingesetzt werden. Ein Mittelständler mit viel Einkaufsmacht bei einem kleineren Lieferanten fährt zur Neuverhandlung der Einkaufskonditionen nicht mit der gesamten Geschäftsführung zum Lieferanten. Er lädt ihn zu sich ein und schickt seinen Einkaufsleiter zu dem Gespräch. Diese Logik lässt sich analog auf M&A-Verhandlungen anwenden.

Eine besondere Herausforderung für den geschäftsführenden Inhaber eines mittelständischen Unternehmens ist oft, sich in den Verhandlungen zurückzunehmen. Der Einzelunternehmer sollte sich nicht dem selbstauferlegten Zwang ergeben, sämtliche Entscheidungen selbst und unmittelbar treffen zu müssen. Auch wenn dies im Geschäftsleben möglicherweise der Schlüssel zum Erfolg war, so kann dieses Verhalten in M&A-Verhandlungen negative Folgen haben, da oft die entsprechende Erfahrung fehlt und die Trageweite mancher zügig gefällter Entscheidungen nicht überblickt wird. Idealerweise kann sich der Inhaber aus den Detailverhandlungen heraushalten und im Hintergrund als Eskalationsstufe die Entscheidungen treffen. Ist dies aufgrund der Unternehmensgröße oder Unternehmenskonstellation nicht möglich, so sollte der Inhaber bei komplexen Fragestellungen den Mut aufbringen, Entscheidungen zu verschieben und sich die Zeit zu nehmen, sich mit seinen Beratern oder Mitarbeitern abzustimmen.

Von zentraler Bedeutung für den Erfolg von Verhandlungen ist eine gründliche Vorbereitung. Üblicherweise erstellt der Verkäufer einen ersten Entwurf des Kaufvertrages. In der Konstellation verkaufender Mittelständler und erwerbendes Großunternehmen, kann dies aufgrund der Ressourcenverfügbarkeit gelegentlich umgedreht werden. Der Mittelständler sollte auf Basis des im vorgelegten Kaufvertragsentwurfs seine Verhandlungsposition detailliert mit seinen Beratern vorbereiten. Dabei bietet sich häufig eine Unterteilung der relevanten Verhandlungspunkte in 1) abzulehnende Positionen, 2) verhandelbare Positionen und 3) „Schenkpositionen“ an. Es ist zu empfehlen, die abzulehnenden Positionen von Anfang an klar und unmissverständlich zu benennen. Die verhandelbaren Positionen sollten grob nach Priorität geordnet werden. Idealerweise bereitet man mögliche Kompromissformeln vor. Die Schenkpositionen sind aus Sicht des Mittelständlers unwichtige Dinge, die im Prinzip in den Verhandlungen konzediert werden können. Einer Schenkposition kommt besondere Bedeutung zu, wenn sie – obwohl für den Mittelständler unwichtig – für den Konzern besondere Priorität hat. Dies gibt dem Mittelständler eine günstige „Währung“ für den Eintausch gegen eine ihm wichtige Position.

Die Strukturen und Hierarchien auf Seiten des Konzerns sind oft komplex. Daher sollte der Mittelständler genau verstehen, welche Rolle sein Gegenüber in den Verhandlungen wahrnimmt und vor allem wie weit seine Entscheidungsbefugnisse gehen und wie der Entscheidungsprozess im Konzern abläuft. Der Konzern sollte darauf achten, dass der Verhandlungsführer auf Augenhöhe mit dem Verhandlungsführer auf Seiten des Mittelstands agiert. Idealerweise gilt dies nicht nur für die Entscheidungsbefugnis, sondern auch hinsichtlich Seniorität und Lebenserfahrung der verantwortlichen Verhandlungsführer. Verhandlungen werden oft von Emotionen, Sympathien und Antipathien beeinflusst. Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, dass der Konzern nach Möglichkeit – ungeachtet der fachlichen Eignung – keinen 26-jährigen High Potential zu Verhandlungen mit einem 70-jährigen Firmenpatriarchen entsendet.

[ Ende TEIL 4 ]

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