Der Mittelstand als Akquisitionsziel von Konzernen – Teil 3/5

Empfehlungen für die Transaktionsgestaltung und Durchführung

4.1 Vorbemerkungen

Nach der Darstellung der allgemeinen Besonderheiten von Transaktionen zwischen Mittelstand und Konzernen ist der Rahmen gesteckt, um im Folgenden spezielle Handlungsempfehlungen sowohl für den Mittelstand als auch für Großunternehmen bei gemeinsamen M&A Projekten zu geben. Die Untersuchung erfolgt entlang der einzelnen Prozessphasen Anbahnung, Durchführung und Integration.

4.2 Anbahnungsphase

4.2.1 „Der stete Tropfen höhlt den Stein“ – der Aufbau von Vertrauen

Einige verkaufswillige, mittelständische Unternehmen beauftragen Verkaufsvermittler oder je nach Größe auch professionelle M&A-Berater. Je nach Professionalität des Beraters und Attraktivität des Unternehmens laufen diese Verkaufsprozesse relativ strukturiert ab. In diesen Fällen ist die Entscheidung zum Verkauf bereits gefallen. Es geht nun vornehmlich darum, einen geeigneten Käufer zu identifizieren und in aller Regel einen attraktiven Verkaufspreis zu erzielen. Die Anbahnung dieser Transaktionen ist mit der Entscheidung der Einschaltung externer Berater abgeschlossen, die Verkaufsentscheidung ist gefallen. Oft geht dieser Entscheidung eine längere Phase voraus, in der die Verkaufsentscheidung langsam reift und konkretisiert wird.

In dieser Phase eröffnet sich für kaufinteressierte Konzerne die Möglichkeit und Chance, eine spätere M&A-Transaktion anzubahnen und vorzubereiten. Diese Aufgabe obliegt in dieser Phase den operativen Konzernmitarbeitern. Oft bestehen vielfältige Geschäftskontakte zu interessanten Wettbewerbern, Lieferanten oder Kunden auf operativer Ebene. Dadurch erlangt der Konzern einen guten Eindruck von den Kompetenzen, Stärken und Schwächen des Mittelständlers. Im Sinne eines „Target Screening“-Prozesses ist es zu empfehlen, dass konzerninterne Business Development oder M&A-Abteilungen sich regelmäßig mit den operativen Einheiten austauschen, um auf diese Weise interessante Targets zu identifizieren. Ist ein Target identifiziert, sollte neben dem strategischen Fit auch die persönliche Situation der Gesellschafter und die Bereitschaft zu einer Transaktion eruiert werden. Für diese Aufgabe ist in der Regel der operative Gesprächspartner des mittelständischen Unternehmens geeignet, der im Rahmen der Geschäftsbeziehung idealerweise schon eine Vertrauensbasis aufgebaut hat. Zentrale Business Development oder M&A-Abteilungen sollten erst involviert werden, wenn ein hinreichendes Interesse an einer M&A-Transaktion zu erkennen ist. In extremen Fällen kann sich die notwendige Überzeugungsarbeit über mehrere Jahre hinziehen. Trifft das mittelständische Unternehmen dann allerdings die Entscheidung für eine Transaktion, ist man als der langjährige Gesprächspartner oft erste Wahl.

Ein Mittelstandsunternehmen, das sich mit dem Gedanken an eine Veräußerung trägt, sollte sich in jedem Fall über folgende drei Dinge intensive Gedanken machen:

  1. 1. Welches sind meine Ziele einer Veräußerung?
  2. 2. Wann ist der optimale Zeitpunkt?
  3. 3. Wer ist der ideale Käufer?

Von den Zielen der Veräußerung hängt wesentlich ab, zu welchem Zeitpunkt und vor allem an wen man verkaufen sollte. Die Veräußerung an einen direkten Wettbewerber führt sicher zu stärkeren Eingriffen in die Unternehmensstrukturen als die Veräußerung an einen Finanzinvestor, der auf den Verbleib der Schlüsselmitarbeiter und der bestehenden Geschäftsführung häufig angewiesen ist. Der richtige Zeitpunkt hängt wesentlich von der Konjunktur, der Technologie und den Investitionszyklen des Unternehmens ab. Stehen gerade Investitionen an, die man nicht mehr alleine stemmen möchte? Ist die Technologie konkurrenzfähig bzw. besteht die Gefahr alternativer Technologien, die gerade auf den Markt drängen?

In aller Regel hat ein solides mittelständisches Unternehmen Zeit, sich mit den o. g. Kernthemen auseinander zu setzen, bevor eine Verkaufsentscheidung gefällt werden muss. Diese Zeit sollte der Mittelständler nutzen, um mögliche Erwerber vor dem Hintergrund seiner Transaktionsziele zu analysieren. Kooperationen in Entwicklung, Produktion oder Vertrieb sind eine gute Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit einem möglichen Erwerber
vorab auszuloten.

4.2.2 Das Transaktionsteam und Beratereinsatz

In der Anbahnungsphase sollte das Transaktionsteam auf Seiten des Konzerns klein gehalten werden. Die ersten Gespräche werden von Seiten des Konzerns in der Regel von dem operativen Gesprächspartner des mittelständischen Unternehmens geführt. Im Hintergrund sollte der Business Development oder M&A-Verantwortliche einbezogen werden, um die Gespräche mit taktischem Rat zu unterstützen. Externe Berater bieten in dieser Phase nur geringen Mehrwert. Sie kommen bei kleinen Transaktionen im Zuge der Due Diligence und der Vertragsverhandlungen in Form eines Finanzberaters („Transaction Services“) und eines Rechtsanwalts ins Spiel. Die restlichen Funktionen können von Konzernen in aller Regel in-house abgedeckt werden.

Auf Seiten des Mittelstands wird das verantwortliche Team naturgemäß klein sein. Grundsätzlich ist davon abzuraten, dass der Gesellschafter sämtliche Gespräche alleine führt. Es ist empfehlenswert, weitere Mitarbeiter oder eventuell schon Berater hinzuzuziehen, um den Erfahrungsvorteil des Konzerns zu kompensieren. Wenn die Gespräche über das erste Abtasten hinausgehen, sollte ein Mitarbeiter oder Geschäftsführer-Kollege
offiziell in das Projektteam aufgenommen werden. Idealerweise hat diese Person schon Erfahrungen mit M&A-Prozessen oder verfügt zumindest über eine solides Wissen im Finanzbereich und der Unternehmensplanung. Als Berater empfiehlt sich neben der notwendigen rechtlichen Unterstützung ein Wirtschaftsprüfer/Steuerberater mit Erfahrung in der Abwicklung von M&A Transaktionen. Bei Transaktionen größer 10 Mio. € sollte über die Mandatierung eines reinen M&A-Beraters nachgedacht werden. Bei Transaktionen größer 50 Mio. € ist die Mandatierung eines professionellen M&A-Beraters in jedem Fall zu empfehlen.

Nicht nur der Mittelständler profitiert von der Mandatierung externer Berater, auch der kaufinteressierte Konzern hat Vorteile durch eine größere Professionalität, effizientere Durchführung der Transaktion und eine höhere Berechenbarkeit seines Verhandlungspartners. Nicht zuletzt sorgen externe Berater auf Seiten des Mittestands für realistische Erwartungen und marktkonforme Forderungen, was die Transaktionswahrscheinlichkeit signifikant erhöhen kann.

4.2.3 Vorbereitung und Strukturierung des Prozesses

Die Anbahnungsphase ist positiv abgeschlossen, der Konzern und der Mittelständler haben sich für konkrete Gespräche bzgl. einer Unternehmenstransaktion entschieden. Zu diesem Zeitpunkt geht das Projekt von einem Screening und Business Development Projekt in ein konkretes M&A-Projekt über, das klar strukturiert werden sollte. Hierfür ist es auf Seiten des Konzerns zu empfehlen, die M&A-Abteilung aktiv zu involvieren. Oft
verfügen operative Konzernmitarbeiter über eine gewisse M&A-Erfahrung bzw. waren häufig im Rahmen der Due Diligence in M&A-Projekte eingebunden. Die Strukturierung von Transaktionsprozessen fällt aber regelmäßig nicht in den Aufgabenbereich operativer Konzern-Mitarbeiter. Der Konzern sollte in einer Transaktion mit dem Mittelstand versuchen, die Strukturierung des Prozesses zu übernehmen und die einzelnen Prozessschritte vorzugeben. Dabei ist ein gewisses Fingerspitzengefühl notwendig, um den Verhandlungspartner nicht zu überfordern, sondern ihm das Gefühl zu geben, ihm Arbeit abzunehmen und die Prozesseffizienz zu steigern. Der Prozess sollte so strukturiert werden, dass möglichst zügig über die wesentlichen Transaktionsparameter wie beispielsweise Art der Transaktion und Kaufpreiserwartungen Klarheit besteht und mögliche Deal Breaker frühzeitig adressiert sind. Es hilft keiner der beiden Seiten, wenn die kritischen Themen zu Anfang nicht thematisiert werden und eine Transaktion nach 6 Monaten intensiver Arbeit an einer Tatsache scheitert, die zu Anfang der Gespräche eigentlich schon hätte angesprochen werden müssen.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich ein Prozessablauf, der nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung den Austausch von zentralen Geschäftsinformationen beinhaltet. Basis dieser Datenzusammenstellung sollte eine Informationsanforderungsliste sein, die der Konzern dem Mittelständler zukommen lässt. Diese Anforderungsliste ist Grundlage einer Phase 1 Due Diligence („Red Flag Due Diligence“), die zum Ziel hat, eine erste Bewertung und Risikoabschätzung vorzunehmen. Neben Finanzinformationen sollten Themen abgefragt werden, die für das entsprechende Geschäft von großer Bedeutung sind. Steht beispielsweise die Technologiekompetenz des Mittelständlers im Mittelpunkt, sollte die Patentsituation in dieser Phase schon untersucht werden. Parallel zu dieser Phase 1 Due Diligence sollten die Parteien beginnen, ein Memorandum of Understanding (auch Letter of Intent oder Termsheet) zu verhandeln. Es bietet sich an, dass der Konzern basierend auf den Vorgesprächen und dem Input des mittelständischen Unternehmens einen ersten Entwurf erstellt. Es ist zu empfehlen, in diesem Dokument alle möglicherweise strittigen Punkte einschließlich einer Wertindikation für den Verkaufspreis zu regeln. Der Begriff „Termsheet“ steht für eine Zusammenfassung der wesentlichen Bestimmungen und Regelungen des späteren Vertragsdokuments und trifft vor dem Hintergrund am besten die Intention einer möglichst umfänglichen Dokumentation des Verhandlungsstands. Im Idealfall kann das unterzeichnete Termsheet später von Juristen ohne größeren Aufwand in die finale Vertragsdokumentation umgesetzt werden.

Sehr allgemein gehaltene vage Absichtserklärungen sind in aller Regel nicht zu empfehlen, da sie zwar schnell vereinbart sind, aber im Nachhinein nicht selten zu Missverständnissen führen und die eigentliche, detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema lediglich nach hinten verschieben. Unter gewissen Konstellationen kann es Sinn machen, zügig einen Letter of Intent mit einer Exklusivitätsvereinbarung abzuschließen, um Konkurrenten auszuschließen. Von der Gewährung einer Exklusivität in einer sehr frühen Phase ohne Kenntnis der wesentlichen Transaktionsparameter ist allerdings grundsätzlich abzuraten.

Der Mittelständler profitiert von einer professionellen Prozessstrukturierung. Auch er hat ein Interesse daran, möglichst zügig Klarheit über die wesentlichen Parameter der Transaktion zu bekommen. Insofern kann er sich darauf einlassen, dass der Konzern die Initiative übernimmt. Wichtig ist allerdings, dass ein wenig erfahrenes mittelständisches Unternehmen sicherstellt, dass Inhalt, Sinn und Auswirkungen sämtlicher Prozessschritte verstanden sind. Kann der Konzern Sinn und Notwendigkeit einzelner Prozessschritte nicht plausibel erklären, ist Skepsis geboten. Für die Verhandlung eines Termsheets kann eine rechtliche Unterstützung in Erwägung gezogen werden. Generell ist darauf zu achten, dass das Termsheet in erster Linie ein kaufmännisch formuliertes Dokument ist und nicht über weite Strecken juristische Feinheiten zum Gegenstand hat.

Bei der Datensammlung für die Phase 1 Due Diligence ist aus Sicht den Mittelständlers wichtig, dass noch keine streng vertraulichen Dokumente offengelegt werden, die bei Abbruch der Verhandlungen einen Wettbewerbsnachteil nach sich ziehen könnten. Das Verheimlichen negativer Aspekte kann für den Offenlegenden nachteilig sein, da bei Offenlegung in einer späteren Phase des Prozesses Kaufpreisabzüge in der Regel höher ausfallen.

[ Ende TEIL 3 ]

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