Der Mittelstand als Akquisitionsziel von Konzernen – Teil 1/5

Eine Betrachtung aus beiden Perspektiven

Zusammenfassung

In der öffentlichen Wahrnehmung nicht so präsent stellen Mergers & Acquisitions (M&A) Transaktionen zwischen Mittelstand und Konzernen einen großen Teil der heutigen Unternehmenstransaktionen dar. Klassische M&A-Tools und Vorgehensweisen versagen bei diesen M&A-Projekten oft. Transaktionen zwischen Mittelstand und Konzernen folgen anderen Gesetzmäßigkeiten und bedürfen einer anderen Herangehensweise der handelnden Akteure auf beiden Seiten. Erfolgreich ist, wer sich von den klassischen Pfaden und Abläufen löst und sich auf sein Gegenüber einlässt und dessen Motive und Beweggründe erkennt und berücksichtigt. Dieser Beitrag gibt allgemeine Hinweise und Empfehlungen zu M&A-relevanten Unterschieden zwischen Mittelstand und Konzernen. Darauf aufbauend werden zu den einzelnen Phasen des M&A-Prozesses sowohl für den Mittelstand als auch für den Konzern konkrete Handlungsempfehlungen gegeben, um die Erfolgswahrscheinlichkeit von M&A Transaktionen zu erhöhen.

1 Einleitung

In der öffentlichen Wahrnehmung von Unternehmensübernahmen (Mergers & Acquisitions) dominieren Milliarden-Transaktionen zwischen großen Konzernen. Bayer übernimmt Monsanto, E.ON erwirbt die Mehrheit der Anteile an innogy von RWE oder die BASF-Tochter Wintershall fusioniert mit der DEA Deutsche Erdoel AG. In der täglichen Unternehmenspraxis bilden Transaktionen mit einem Volumen größer 1 Mrd. € jedoch eher die Ausnahme. Die Mehrzahl der in Deutschland abgeschlossenen Transaktionen weist ein Transaktionsvolumen von kleiner 100 Mio. € auf. In diesem sogenannten Small- und Mid-Cap-Segment sind neben kleineren Konzern-Spin-offs (Verkäufe kleinerer Tochterunternehmen oder Betriebsteile) oft Transaktionen zwischen Konzernen und Mittelstandsunternehmen vertreten. In den meisten Fällen tritt der Konzern dabei als Käufer auf, um beispielsweise sein Kerngeschäft zu stärken, neue Technologie zu erwerben oder seine Marktdurchdringung zu verbessern. Das Mittelstandsunternehmen kann dabei einen Betriebsteil veräußern, einen strategischen Partner zur Unterstützung des weiteren Wachstums beteiligen oder – nicht selten – ein Nachfolgeproblem lösen wollen.

Unabhängig von der Motivation beider Parteien stellen Transaktionen zwischen Mittelstand und Konzernen besondere Herausforderungen für beide Seiten dar. Nicht selten scheitern Unternehmenskäufe aus mangelndem Verständnis der Motivation, des Wertesystems sowie der Entscheidungskriterien und Entscheidungsabläufe der jeweiligen Gegenseite. Im Folgenden soll auf die Besonderheiten von Transaktionen zwischen Mittelstand und Konzernen eingegangen und Handlungsempfehlungen für beide Seiten erarbeitet werden. Dabei wird ausschließlich auf den in der Unternehmenspraxis häufigsten Fall eingegangen, bei dem der Konzern als Käufer auftritt.

2 Transaktionsanlässe

2.1 Vorbemerkungen

Aus Sicht des Konzerns sind Transaktionen mit dem Mittelstand hinsichtlich der Motivation oft relativ ähnlich. Regelmäßige strategische Rationale ist die Verstärkung des Kerngeschäfts durch unterschiedliche Kompetenzen des Mittelstandsunternehmens. In aller Regel strebt der Konzern die komplette Übernahme und Integration an. Für den Mittelstand, oder in dem Zusammenhang besser „den Mittelständler“, können die Beweggründe zu einem Verkauf große Unterschiede aufweisen. Ob ein Mittelständler sein „Lebenswerk“ mangels Nachfolgelösung verkaufen möchte oder ob er nur einen starken Partner zum weiteren Ausbau seines Geschäfts sucht, beeinflusst ganz wesentlich sein Verhalten und seine Entscheidungen im Transaktionsprozess.

2.2 Veräußerung eines Tochterunternehmens

Viele größere Mittelstandsunternehmen agieren wie Großunternehmen und Konzerne. Sie sind mit Tochtergesellschaften gleichzeitig in verschiedensten Bereichen und Branchen tätig und stehen ständig vor Entscheidungen hinsichtlich ihres Portfolios und der damit verbundenen Ressourcenallokation. In dem Zusammenhang werden regelmäßig einzelne Aktivitäten und ganze Tochterunternehmen auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls auch veräußert. Diese Herangehensweise gleicht der von Konzernen und ist daher nicht Gegenstand der Untersuchung.

2.3 Nachfolgeregelung

Eine klassische Motivation zur Veräußerung vor allem im kleineren Mittelstand ist das Fehlen eines geeigneten Nachfolgers aus dem Familienkreis zur Fortführung des Unternehmens. Die Anforderungen an die Unternehmensführung im globalisierten Markt sind derart gestiegen, dass die Übergabe des Unternehmens an die nächste Generation herausfordernder denn je ist. Nicht selten entscheiden sich Unternehmer daher zur Veräußerung oder zur Aufnahme eines starken, strategischen Partners, um den Bestand und den Wert des Unternehmens langfristig zu sichern. Oft haben in diesen Fällen beide Seiten, der Konzern als auch der Unternehmer, kein Interesse an einer schnellen Zäsur und Unternehmensübergabe. Der Unternehmer möchte häufig das Unternehmen noch eine Weile begleiten, um sicher zu stellen, dass „sein“ Unternehmen beim neuen Eigentümer gut aufgehoben ist. Die Gründe können auch ganz persönlicher Art sein: Ein Vollblutunternehmer kann oft nur schwer eine 60-Stundenwoche von heute auf morgen gegen 24 h Freizeit pro
Tag eintauschen. Der Konzern möchte den Übergang und die Integration des erworbenen Unternehmens so reibungsarm wie möglich gestalten. Er kann mit einer schrittweisen Akquisition die Chancen erhöhen, das Know-how des Unternehmers zu sichern sowie wichtige Mitarbeiter und Kunden zu halten.

Nachfolgesituationen sind oft die anspruchsvollsten Transaktionen, da vor allem auf Seiten des Mittelständlers viele Emotionen im Spiel sein können und eventuell ganz unterschiedliche Ziele verfolgt werden. So möchte der eine eventuell nur „Kasse machen“, dem anderen ist das Wohl seiner Mitarbeiter oder sein Ansehen in seinem Wohnort von großer Bedeutung. Der sehr vorteilhafte Unternehmensverkauf des Bekannten kann oft der größte Hinderungsgrund für eine erfolgreiche Transaktion sein.

2.4 Verstärkung durch einen strategischen Partner

Kleine, mittelständische Unternehmen stoßen nicht selten an natürliche Wachstumsgrenzen, wenn beispielsweise trotz innovativer Produkte und interessanter Technologie zusätzliches Wachstum nur durch eine Internationalisierung oder signifikante Erweiterungen der Produktions- oder Vertriebskapazitäten erzielt werden kann. Eine Möglichkeit, diese Expansionshindernisse zu überwinden, ist die Beteiligung eines strategischen Partners am Unternehmen. Oft kann dies auch die erste Stufe einer schrittweisen Übernahme des Mittelständlers sein. Insofern können die Übergänge zwischen Beteiligung eines strategischen Partners zur Stärkung des Unternehmens und der Komplettübernahme oft fließend sein bzw. aufeinander aufbauen.

Die folgende Untersuchung befasst sich mit Transaktionen, bei denen der Mittelständler wesentliche Teile seines Unternehmens oder sein ganzes Unternehmen veräußert. Transaktionen, bei denen große Mittelständler im Wesentlichen analog zu Konzernen agieren und Randaktivitäten abgeben, unterliegen in Rationale und Durchführung weitgehend der Logik großer Konzerne und sind nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen.

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