11 Fragen an Oliver Spitzer

1. Jeder kennt Onkel Dagoberts ersten Kreuzer. Womit haben Sie Ihren ersten Euro oder Ihre erste Mark verdient?

Am Schmiedehammer. Allerdings nicht so, wie man sich das jetzt vorstellt – mir glühendem Stahl und der Iron Man-Rüstung „in progress“ – sondern mit Spachtel und Putzlappen. Mein Vater ist seit 25 Jahren selbstständig als Industrielackierer und als Industrielackierer-Sohn ist klar, wie man sein Taschengeld aufstockt: Bevor ein 60 Jahre alter, 40 Tonnen schwerer und gefühlte 20 Meter hoher Schmiedehammer neu lackiert werden kann, müssen Öl- und (ich will es nicht wissen, sagen wir sonstige) Reste aus dem Ding raus. Schleifen, Kratzen, Putzen. Aber solide 10 Euro die Stunde und mittags Mettbrötchen! Danke Papa.

2. Zeitreise. Was würden Sie Ihrem 20-jährigen Ich empfehlen?

Berechne (deinen) Wert und nicht (deine) Stunden. Passend zum Zahlungsmodell meines ersten Kreuzers habe ich es als ganz normal empfunden den Wert meiner Arbeit daran zu bemessen, wie lange ich für sie brauche. Das ist natürlich Unsinn – fühlte sich aber eine sehr lange Zeit irgendwie richtig an.

3. Welchem Satz misstrauen Sie besonders?

„Das geht so nicht.“ Hier stellen sich mir die Nackenhaare auf. Mit wenigen Sätzen kann man mich schneller reizen. „Das geht so nicht“ ist meistens nur ein Zeichen für fehlende Phantasie des Sprechenden, die/der sich mit einer Lösung, die nicht schon 100x so umgesetzt wurde, schon im Vorhinein nicht anfreunden kann. Es bedeutet zu keiner Sekunde, dass es wirklich so nicht geht. Wenn man Freund kreativer Lösung ist, nervt und bremst diese Einstellung enorm. Am schlimmsten sind aber die 10 Prozent der Fälle, ich denen ich dann feststellen muss „Mist! Das ging so wirklich nicht.“

4. Worüber können Sie sich ärgern?

Rückblicke. Nichts ist schlimmer als einen Blick zurückzuwerfen. Nicht weit zurück – 10 Jahre oder länger. Da setzt dann die Romantisierung ein und alles war großartig. Aber kurze Rückblicke sind die Hölle. Hätte ich vor vier Jahren mal bitcoin gekauft, hätten wir schon früher dieses oder jenes Tool an den Start gebracht. Viel zu oft bemerke ich erst, was der Alltag alles „verschluckt“ hat, wenn es schon zu spät ist – obwohl man doch eigentlich zum richtigen Zeitpunkt die richtige Idee, den richtigen Instinkt hatte aber erst heute Zeit für die Umsetzung findet. Da bin ich echt nachtragend, vor allem mir selbst gegenüber, und dann beleidigt wie ein Schuljunge.

5. Worüber können Sie herzlich lachen?

Gute Stand-Up Comedy. Klar, die ist extra zum drüber lachen gemacht. Mich faszinieren aber das Handwerk, die Machart, das Storytelling, das Aufbauen einer Pointe, die erst nach einer Stunde gezündet wird. Faszinierend. Das versuche ich (gern auch mal in den völlig falschen Situationen) im Job. Ein Vortrag, der korrekt und informativ ist? Toll, aber vermutlich übermorgen schon wieder vergessen. Was uns wirklich emotionalisiert, brennt sich ein!

6. Sie könnten – unabhängig physikalischer Grenzen – eine Sache erfinden. Was wäre das?

Die Brain-to-pdf-Schnittstelle, bzw. Empathie in Tüten. Wir arbeiten den ganzen Tag daran, Menschen besser zu verstehen. Genauer daran, hinter dieses meist faktische Verständnis zu blicken – durch die äußere, rationale Hülle der Menschen hindurch, direkt in deren inneres Kind. Psychologisch geführte Interviews, die Messung von Emotionen durch kleinste Köpersignale usw. Das könnte alles viel einfacher gehen, wenn wir diesem Kind in uns ein metaphorisches Megafon in die Hand drücken würden. So könnten viel mehr Menschen verstehen, was sie selbst (und andere) antreibt. Das wäre nicht nur ein mächtig böses Marketing-Tool, sondern auch die Basis für Empathie in Tüten.

7. Welche Person oder Situation hat Sie maßgeblich geprägt und warum?

Hier muss ich wieder meinen Vater nennen. Er hat mir den Startschuss ermöglicht. Nicht mit einem Koffer voll Startkapital, sondern mit dem richtigen Mindset. Für mich war es ganz selbstverständlich Unternehmer zu sein. Auch wenn das Finanzamt gruselig, die Erfolgschancen gering und die Flauten furchterregend sind … irgendwie war das trotzdem ganz normal. Es brauchte nie den berühmten Mut zu gründen und so den Limes zu überschreiten. Da war kein Limes. Auch das Arbeitsethos eines Ein-Mann-Betriebes, der mein Vater 20 Jahre lang war (erst seit kurzem gibt es einen Kompagnon), war stets normal.

8. Aus welchem Misserfolg haben Sie besonders viel gelernt?

Lehrreich war weniger ein konkreter, beeindruckender Misserfolg, der mit einem lauten Knall und der damit einhergehenden Erleuchtung endete. Vielmehr brauchte ich eine lange Reihe von kleinen Misserfolgen – eher von ausbleibenden Erfolgen. Ich habe jahrelang versucht den Unternehmen, bei denen ich arbeiten oder pitchen durfte, das ganze, bunte, große Füllhorn der Psychologie und Emotionsforschung zu erklären. ALLES, was das Herz begehrt, und je ein perfekt zugeschnittenes Pflaster für jede Marketing-Wunde. Dass jeder in seinem Alltag steckt und da nach EINER Lösung für EIN Problem sucht … bis ich das verstanden habe, das hat gedauert. Aber wie heißt es so schön: Es gibt 2 Regeln. Regel 1: Verrate nie alles, was Du weißt.

9. Welches sind für Sie die wichtigsten Tugenden eines Vorgesetzten?

Vorleben und Vorleben lassen. Bücherwissen ist was Schönes, aber grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum. Ich finde es wichtig, den Job zu beherrschen, und zumindest Teile davon in Perfektion, sodass man den Teams vorleben kann, wie es geht. Präsentationen schreiben, Vorträge halten etc. da macht mir keiner was vor und ich kann jeden an die Hand nehmen, weil ich selbst jeden Fehler und (fast) jede Erfahrung schon gemacht habe. Durch Vorleben kann ich viel mehr Details beibringen als durch „10 Regeln für xyz“. Vermutlich viele Details, von denen ich gar nicht bewusst weiß, dass sie wichtig sind. Gleichzeitig muss man anerkennen, wenn jemand etwas besser kann. Nur weil Managing Partner auf meiner Visitenkarte steht, heißt das nicht, dass nicht jeder Junior viele Dinge besser kann als ich. Die will ich sehen (nicht nur davon hören), fördern und dreist abschauen – mir also Vorleben lassen.

10. Welches sind für Sie die wichtigsten Tugenden eines Mitarbeiters?

Klarheit und starke Stärken. Nichts ist schlimmer, als Mitabeiter:innen etwas aus der Nase ziehen zu müssen. Klare Informationen sind ein Segen – fast egal ob bad oder good news. Zusätzlich finde ich es großartig, wenn jemand seine Stärken kennt, ausbauen und einbringen will. Viel zu viele Leute kümmern sich fast ausschließlich darum, ihre Schwächen auszubügeln. Nichts falsch zu machen und keine Angriffsfläche zu bieten. Das ist schön, macht aber höchstens mittelmäßig. Seine eigenen Stärken zu erweitern macht Kolleg:innen großartig.

11. Welches Buch, das Sie in letzter Zeit gelesen haben, hat Sie am meisten fasziniert und warum?

Oh. Jetzt würde ich gern etwas besonders Geistreiches nennen. Aber ehrlich gesagt schwanke ich zwischen zwei schrecklichen Büchern. Das eine sterbenslangweilig, das andere bunte Pop-Kultur. Das erste ist der extrem langweilige Schmöker „Steuern steuern“, der mir viele Schläge mit der flachen Hand auf die eigene Stirn eingebracht hat (das wäre übrigens noch eine Empfehlung an mein 20-jähriges Ich: „Lies das!“). Das andere ist „WILL“, die Autobiographie von Will Smith, die mal wieder zeigt, dass hinter dem breitesten Lächeln, den schlagfertigsten Punchlines und dem größten Erfolg Wurzeln stecken, die – wie es so schön heißt – bis in die Hölle reichen.

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